March 18, 2020
Was ist wichtig zu wissen über dich?
Ich bin Ramina, 28 Jahre alt und in Hamburg aufgewachsen. Im Moment arbeite ich bei der Hapag-Lloyd AG als Software Entwicklerin. Davor habe ich als IT-Consultant bei der Hermes Germany GmbH gearbeitet.
Hast du dich schon früh für IT und das Programmieren interessiert?
Tatsächlich habe ich seit meinem 9. Lebensjahr viel Zeit am Computer verbracht – aber nie programmiert. Im Familien- und Bekanntenkreis war ich immer diejenige, die bei IT-Problemen geholfen hat – sei es ein neues Programm zu installieren oder den Internet-Anschluss einzurichten. Das Bewusstsein für die Breite der IT und die Existenz von Programmiersprachen hatte ich dennoch nicht. Das war ein blinder Fleck in meinem Weltbild.
Wer oder was hat dich inspiriert einen technischen Beruf zu wählen?
Zur Schulzeit war Mathematik immer mein Lieblingsfach. Daher habe ich mich für ein Studium der Ingenieurswissenschaften entschieden. Leider wurde mir Informatik nie in der Schule angeboten. Daher kam es mir bei der Studienwahl gar nicht erst in den Sinn. Die ersten Berührungen mit Programmiersprachen hatte ich erst im Studium – im Alter von 22! Es hat sich so angefühlt, als wenn sich mir eine neue Welt eröffnet. Das waren mit Abstand meine Lieblingskurse. Leider beinhaltete mein Studiengang aber nur einige wenige Grundlagenkurse.
Warum bist du nicht früher in die IT-Branche eingestiegen?
Rückblickend betrachtet glaube ich, dass ich mich höchstwahrscheinlich direkt für ein Informatikstudium entschieden hätte, hätte ich es schon zu Schulzeiten kennen lernen dürfen. Ich hoffe sehr, dass das Schulsystem inzwischen angepasst wurde. Deswegen halte ich die Besuche von moinworld an Schulen für so besonders wertvoll. Ich bin definitiv jemand, der das damals gebraucht hätte.
Wieso hast du dich dann doch dazu entschlossen und wie kam es dazu?
Noch während meines Studiums habe ich eine Werkstudententätigkeit in der IT angenommen. This is when the love for IT hit me! So habe ich zum Berufseinstieg eine IT-Consultant-Stelle angenommen. 50% meiner Zeit verbrachte ich mit Tätigkeiten in dem Bereich Kommunikation und 50% mit tool-basiertem Entwickeln. Mir ist aufgefallen, dass das konzentrierte Arbeiten und Entwickeln der Lösungen mir viel mehr Spaß gemacht hat. Bei diesen Aufgaben ist die Zeit wie im Flug vergangen. So kam mir der Gedanke in die Softwareentwicklung zu wechseln. Glücklicherweise war ich bereits in der IT-Abteilung tätig. So konnte ich einfach den Flur runter und die Softwareentwickler ansprechen. Sie haben mir Einblicke in ihre Arbeit und die Entwicklungsumgebung gegeben.
Wie war die Resonanz deines Umfeldes auf deinen Wechsel?
„Was du? Du bist doch viel zu extrovertiert, um den ganzen Tag nur vor dem Bildschirm zu sitzen und zu programmieren!“ Das ist ein fataler Denkfehler und hier kommen die allgemeinen Vorurteile zum Vorschein. Du musst dich immer mit deinen Teamkollegen austauschen. Du kannst auch zum Beispiel zwei Tage die Woche andere Aufgaben übernehmen, um einen Ausgleich zu haben – Arbeit gibt es immer genug.
War Moinworld in diesem Prozess der Entscheidungsfindung oder Umsetzung wichtig für dich?
Die Kurse von moinworld konnten mir damals einen Raum bieten, mich nochmal selbst zu prüfen. Ist es wirklich das, was ich machen möchte? Wie schnell ist mein Lernfortschritt? Ich habe insgesamt zwei Kurse besucht. Diese haben meinen Wunsch bestätigt und gaben mir den letzten nötigen Funken Mut eine Stelle als Softwareentwicklerin anzunehmen. In einer Runde von vielen sympathischen Frauen, welche die eigenen Interessen teilen, macht das Lernen auch viel mehr Spaß! Die Alternative wäre alleine vorm PC mit Youtube. Außerdem hat moinworld mir das Gefühl gegeben, dass endlich das Problem erkannt wurde und was dagegen getan wird. So wie heute darf es nicht bleiben. Wir Frauen müssen das wohl prägendste Feld unserer Zeit mitgestalten!
Wie war dein Bewerbungsgespräch für deinen Beruf als Softwareentwicklerin?
Das Bewerbungsgespräch begann mit: „Frau Maschal, Sie haben sich bei uns als Softwareentwicklerin beworben. Welche Programmiersprachen können Sie denn?“ Meine Antwort lautete: „Keine.“ Erstmal war Stille und die Gesprächsteilnehmer – alle männlich – haben irritiert geguckt. Und wisst ihr was? Ich habe den Job dennoch bekommen! Ich glaube, insbesondere meine Lernbereitschaft hat die Gesprächsteilnehmer überzeugt. Die moinworld Kurse waren auch Thema im Bewerbungsgespräch. Die Tatsache, dass ich diese in meiner Freizeit besuchte hat meine Lernbereitschaft unterstrichen. Der Mensch kann so schnell lernen. Jeder Entwickler hat doch mal bei Null angefangen. Das einzige, was du brauchst ist Zeit und Lernbereitschaft!
Was machst du konkret bei deiner Arbeit?
Unser Team ist für den Datenaustausch über Unternehmensgrenzen hinweg für das Hapag-Lloyd-eigene-Fracht-Informations-System verantwortlich. Auf den Punkt gebracht: Java Anwendungsentwicklung und EDI. Mein Arbeitgeber hat mir den besten Start geboten. Ich habe ein wundervolles Team, das mich unterstützt. Insgesamt hatte ich vier Wochen Java-Schulungen. Außerdem steht ein Java-Coach zur Verfügung. Seine alleinige Aufgabe ist es unser Team bei jedem Java-Anliegen zu unterstützen – und das Vollzeit. ####Wie sieht es mit diversity in deinem Team aus? Unser Team besteht aus 15 Personen. Mich eingeschlossen sind wir zwei Frauen. Wir sind auf zwei Büroräume verteilt. Jeder Raum hat eine Frau bekommen. Das bedeutet: Ich bin allein mit sechs Männern im Büro. Zusätzlich bin ich auch die Jüngste.
Wie wohl fühlst du dich als Frau in deiner Arbeitsumgebung?
Wundervoll! Ich liebe meine Jungs. Sie sind immer sehr gut zu mir. Vor allem – und das ist mir das Wichtigste – sie glauben an mich! Ich habe tatsächlich in meinen drei Berufsjahren schon zwei weibliche Kolleginnen aus der Business Abteilung in die IT „abwerben“ können. Beide haben keinen technischen Hintergrund, waren aber sehr IT-interessiert. Die IT bietet so viele verschiedene Rollen, wo die Kommunikationsfähigkeit gefragt ist und keinerlei Programmierkenntnisse. Sie haben zum Beispiel IT-Projektmanager-Stellen angenommen. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass besonders Frauen jemand brauchen, der sagt: „Ja, ich glaube an dich. Du wirst es definitiv schaffen!“
Was war die schwierigste Herausforderung in deinem Beruf bezüglich deiner Arbeitsaufgabe?
Als SoftwareentwicklerIn reicht es lange nicht aus allein den Java Syntax zu beherrschen. Du musst darüber hinaus so viele weiter Tools (Git, Jenkins) und Architekturregeln beherrschen. Gerade am Anfang hat man das Gefühl einem bricht die Decke über dem Kopf zusammen. Allein der Deployment-Prozess ist eine Wissenschaft für sich.
Gab es auch eine besondere Herausforderung bezüglich deines Geschlechts?
Nein. Das Geschlecht hat nichts mit deinen Aufgaben zu tun. Daher haben die männlichen Kollegen dieselben Herausforderungen im Arbeitsalltag.
Hast du Role Models?
Tatsächlich nein – es ist erschreckend! Eine prägende Erfahrung, welche mir viel Kraft gegeben hat, war ein Besuch bei einem Partnerunternehmen in Minsk (Weißrussland). Dort kam ich aus dem Staunen nicht mehr raus, als ich deren Büroflächen gesehen habe. Circa 40% der SoftwareentwicklerInnen waren Frauen! Bildhübsche, junge Mädels. Der Beruf wird dort sogar sehr gerne von Frauen gewählt, weil er so gut mit der Familie vereinbar ist. Als ich ihnen von den Zuständen in Deutschland berichtete, haben sie mir nicht glauben wollen: „Was? In Deutschland? Ihr seid doch sonst so fortschrittlich.“
Wie kann moinworld deiner Meinung nach unterstützen?
Erstmal vielen Dank, dass es euch gibt! Spread Information auf vielfältige Weise und Formate: Social Media, in Fernsehsendungen mit dem Format Diskussionsrunde teilnehmen, Artikel in einer Zeitschrift, Artikel in Schulzeitschriften (zu meiner Zeit auf der Klosterschule hatten wir das „Klopapier“ :))Aber auch die Kooperation mit Bootcamps könnte helfen, dass mehr Frauen in die IT kommen. Und wie ihr schon genau richtig erkannt habt: weibliche Vorbilder schaffen und das Wissen durch Kurse und Schulungen teilen.
Was sollte sich deiner Meinung nach in Deutschland ändern, um das Problem zu lösen?
Fördergelder sollten freigegeben werden. Vor allem braucht Deutschland die Fachkräfte, um weiterhin ein starkes Industrieland zu bleiben (Stichwort Industrie 4.0). Obwohl Deutschland in Sachen Geschlechtergleichstellung sehr weit ist, verbinden wir sehr häufig bestimmte Berufsbilder mit einem Geschlecht. Das trifft genauso z.B. für den Beruf des Erziehers zu. Wir müssen diese Grundannahmen in unserer Gesellschaft aufbrechen. Informatik sollte jeder Schüler verpflichtend als Schulfach haben. Irgendwann kann es natürlich abgewählt werden (so wie Biologie, Physik oder eine zweite Fremdsprache).
Was könnten Unis und Unternehmen tun?
Viele stellen IT mit Programmieren gleich. Und Programmieren wiederum mit Magie. Unternehmen und Unis sollten die Vielfalt an Rollen innerhalb der IT transparenter machen. IT ist viel mehr als nur Programmierung, z.B. der Product Owner, Scrum Master, Releasmanager oder IT-Projektmanager.Ständig hört man Aussagen wie „Das könnte ich ja nie“. Ich weiß es sieht super kompliziert aus, ist es auch. Aber es folgt logischen und analytischen Regeln. Diese kann man mit gesundem menschlichem Verstande erlernen. Es ist keine Zauberei. Auch in diesem Gebiet macht die Übung den Meister.
Worin siehst du die Aufgabe der Eltern?
Eltern sollte bei der Erziehung Kindern keinesfalls geschlechterspezifische Denkansätze anerziehen. Wie zum Beispiel: Mädchen sind emotionaler oder empathischer. Jungs können mit Technik besser umgehen. Dem Jungen kaufe ich ein Auto und dem Mädchen eine Baby-Born.
Und ihr?
Wenn auch ihr Lust habt, mit Eurer Geschichte anderen Mut zu machen wendet Euch gerne an uns! moin@moinworld.de