February 19, 2020
Wir werden immer wieder gefragt, warum der Anteil an Frauen in der Informatik so gering ist. Anja hat hierzu schon ihre Thesen aufgestellt. Nachlesen könnt ihr sie in diesem Blogbeitrag. Gerne lesen wir aber auch die Stories der Frauen aus unserer Community. Heute haben wir Katja interviewt, die nach einem erfolgreichen ersten Staatsexamen in Jura ihre klassische juristische Karriere nicht fortsetzt sondern jetzt Informatik studiert.
Wann bist du das erste Mal mit Informatik in Berührung gekommen?
Das erste Mal in Berührung mit Informatik kam ich in meinen letzten drei Schuljahren. Ich hatte bei meinem älteren Bruder gesehen, dass er im Informatikunterricht schnell gelernt hat, kleine Spiele und Chatprogramme zu erstellen und fand das sehr cool, sowas als Schulfach machen zu dürfen! Neben allen anderen Fächern, in denen man eher theoretisch lernte, gefiel es mir, in diesem Fach tatsächlich am Ende benutzbare Ergebnisse zu haben. Ich hatte wahnsinnigen Spaß im Informatikunterricht und kam auch gut mit, obwohl ich anders als manche Mitschüler in meiner Freizeit eher nicht programmiert habe, sondern tanzen gegangen bin und Bücher gelesen habe.
Jetzt bin ich mit 26 Jahren Informatikstudentin im ersten Semester und habe ein ziemlich gutes Erstes Juristisches Staatsexamen in der Tasche.
Trotzdem du Spaß am Informatik-Unterricht hattest, ist die Wahl dann doch auf Jura gefallen. Wie kam es dazu?
In meinen letzten Schuljahren wusste ich überhaupt nicht, was ich nach der Schule machen könnte – ich mochte viele Fächer, wenn auch meine Stärken und Interessen immer am meisten in den MINT-Fächern lagen. Etwas, in dem man logisch denken muss, lag daher nahe, praktisch und anwendungsbezogen sollte es auch sein. Irgendwann kam ich auf Jura und schrieb mich dafür ein.
Wie erklärst du dir heute die Wahl deines ersten Studienfaches?
Obwohl ich Informatik in der Schule geliebt habe, fiel mir erst Jahre später auf, dass ich es 2013 bei der Suche nach meinem ersten Studienfach überhaupt nicht in Erwägung gezogen habe. Das kann ich mir rückblickend nur mit den Klischees erklären, die ich damals damit verbunden habe. Dass eine Informatikerin gerne und viel mit Menschen zu tun haben kann, dass sie Interesse haben kann an gesellschaftlichen Fragestellungen, an Kunst, dass sie in der Natur unterwegs sein und gerne tanzen kann. Dass sie sein kann wie ich, konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Ich habe länger gebraucht, bis ich verstanden habe, dass es möglich ist, so vielfältige Interessen zu haben wie ich und gleichzeitig Freude an logischen Knobeleien zu haben und Technik faszinierend zu finden. Dass man gerne stundenlang an Programmcode feilen und zwischendurch genauso gerne zwei Stunden zum Tanzunterricht gehen kann.
Wie kommt es, dass du trotz eines abgeschlossenen Staatsexamens in Jura jetzt doch nochmal Informatik studierst?
Als ich schon in der Vorbereitung auf mein Staatsexamen war, gab es an meiner Hochschule eine Veranstaltung „Programmieren für Juristen“. Zum ersten Mal seit vielen Jahren hatte ich plötzlich wieder Code vor mir. Es war sofort wieder so toll wie am Anfang – und ich merkte gleich wieder, dass mir die Denkweise beim Programmieren entgegenkommt. Mein Bruder, mittlerweile ein Wirtschaftsinformatiker, motivierte mich dann, eine kleine KI für eine Online-Challenge zu programmieren. Stundenlang haben wir über besseren Taktiken geknobelt und unsere KI gegeneinander antreten lassen. Mein Bruder hat mich in den allermeisten Fällen besiegt, aber meine KI und ich haben uns gut geschlagen. Danach war der Gedanke an ein Informatikstudium nicht mehr aus meinem Kopf zu kriegen. Es hat dann noch über ein Jahr gedauert, bis ich mein Staatsexamen in der Tasche hatte – das war im Februar 2019. Genug Zeit also, die Entscheidung, was ich ab dem Herbst machen würde, in Ruhe zu überdenken. Für mich hieß das vor allem Mut sammeln. Ich wusste zwar schon genau, dass ich unbedingt probieren will, wie mir Informatik als Studienfach gefallen würde. Andererseits hatte ich gerade über fünfeinhalb Jahre viel Zeit und Mühe in ein Studium gesteckt und auch einen guten Abschluss gemacht. Wer tut sich da direkt ein neues Studium an? Ich habe mich dann einfach erstmal beworben.
Bis ich mich im August eingeschrieben und im Oktober mit dem Studium angefangen habe, war ich dann vor allem ziemlich gespannt darauf, mehr über IT zu lernen. Auch halte ich es für nie zu spät, sich neu zu orientieren, wenn es darum geht, womit wir die nächsten Jahrzehnte unseres Lebens verbringen.
Wie ist dein Fazit nach dem ersten Semester Informatik?
Nach dem ersten Semester kann ich jetzt sagen, dass mir die Inhalte tatsächlich sehr viel Spaß machen. Digitalisierung und IT sind in jedem Lebensbereich topaktuelle Themen, und es ist spannend, zu verstehen, wie die Technologien funktionieren, die gerade so vieles verändern. Meine Kommilitonen sind sehr nett und alle helfen einander, wenn es nötig wird, mit ausführlichen Erklärungen, hilfreichen Links und Materialien. Generell ist die Stimmung auf dem Informatikcampus sehr positiv. Nur ein paar mehr Frauen* dürfen es gerne noch sein. Ich glaube in unserem Fach ist der Anteil bei unter 10%.
Was möchtest du anderen gerne mitgeben?
Gerade wegen meiner eigenen Erfahrungen liegt es mir am Herzen, dass junge Frauen* sich trauen, wenig ausgetretene Wege zu gehen, neue Dinge auszuprobieren und die Welt zu ihrer eigenen zu machen.
Und ihr?
Wenn auch ihr Lust habt, mit Eurer Geschichte anderen Mut zu machen wendet Euch gerne an uns! moin@moinworld.de